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Es ist erschreckend, was wir über den aktuellen Zustand unseres Planeten sehen und hören. Der Klimawandel wirkt sich auf so viele Menschen und andere Lebewesen aus. Wir sehen und hören von fühlenden Wesen, die in verschiedenen Gegenden leiden, und wir fühlen mit ihnen -– das Herz, der Brustbereich und die Magengegend spannen sich an.

Die Suche nach dem Warum

Üblicherweise suchen wir gleich nach einer Ursache unserer Beunruhigung – vielleicht wollen wir ja diese Ursache loswerden, um unser unangenehmes Gefühl zu verdrängen. Aber hier ist die Ursache nicht so leicht zu erkennen. Zen-Meister Seung Sahn sagte einmal: „Wenn du Hörner hinter einer Mauer siehst, weißt du, dass dort ein Stier ist“. Hinsichtlich des Klimawandels sehen wir aber oft nur kurz einen Schatten dieses Stiers hinter der Mauer. Wenn wir mit dem Finger auf ihn zeigen wollen, ist er schon wieder fort. Deshalb ist es in diesen Tagen so wichtig, „scharfe Augen“ zu entwickeln, um die Zeichen des Stiers zu erkennen. Eine gute Methode, unseren Blick zu schärfen ist das, was wir oft als „Übung“ („practice“) bezeichnen.

Wir hören von verschiedlichen Ursachen des Klimawandels: Studien, Zahlen, Thesen. Hier steht zu lesen, es sei bereits viel zu spät; dort wiederum wird behauptet, man habe noch hinreichend Zeit, um die Folgewirkungen zu begrenzen. Resultiert das Problem für die einen aus bestimmten Fehlentscheidungen der Politik, verweisen andere wiederum auf fatale wirtschaftliche Trends. Wir selbst tendieren dann oft dazu, denjenigen Thesen zu glauben, die unserer persönlichen Meinung am besten passen.

In unserem eigenen Inneren

Wenn wir derart die Schuldigen erkannt zu haben meinen, wird es uns oft leichter ums Herz, denn jetzt wissen wir es. Vielleicht werden wir sogar tätig und engagieren uns als Aktivist*innen für diesen oder jenen Aspekt. Doch solange wir nicht die eigentliche Ursache für die Ausbeutung der Welt in unserem eigenen Inneren finden, werden wir nicht wirklich etwas ändern, sondern das Problem womöglich fortsetzen. Vielleicht gelingt es uns ja diesen Planeten und unsere künftige Heimat zu retten: Wird dann wieder alles von vorne losgehen?

Sehen wir uns die Vernichtung unseres Planeten und dessen fühlenden Wesen genauer an, können wir erkennen, dass es keinen großen Unterschied zwischen den Verursachern und uns gibt. Wir sind derartig miteinander verwoben und verbunden, dass wir selbst Teil der Täter sind – ganz gleich, ob und wie wir uns für die Umwelt engagieren. Es mag unangenehm sein, das zu sehen, aber lass uns noch einen Moment dabei bleiben. Es gibt ein Kong-an, das mir in den Sinn kommt: Eines Tages fragte Hyo Bong Sunim Zen-Meister Man Gong: „Jemand tötet gerne. Wer ist der beste Mörder?“ Man Gong erwiderte: „Heute sehe ich ihn hier.“

Widerstände

Können wir ohne unmittelbare innere Widerstände sehen und erkennen? Und: Was genau ist es, das sich dem Erkennen und Wahrnehmen in den Weg stellt? – Sobald der „Ich-Mein-Mir“-Lärm hochkommt, sind wir von unserer Welt getrennt. Wir machen und haben „du“ und „ich“, „Leben“ und „Tod“, „Frieden“ und „Krieg“. Können wir das an- und durch-schauen – vielleicht während wir dies hier lesen? Im Moment des Gewahrwerdens kann der Widerstand von selbst wegfallen. Was bleibt dann übrig? Was ist es?

Verbunden

Der Mönch im Kong-an bleibt hartnäckig und fragt Man Gong Sunim: „Ich will dir die Kehle durchschneiden. Erlaubst du mir das?“  Man Gong Sunims Antwort trifft den Kern. Was sagte er? Wie lautet Deine Antwort? Können wir diese Antwort von Augenblick zu Augenblick, für die nächsten 10.000 Jahre, leben?

Das Leben auf unseren kleinen „Subplaneten“ (auf unserem Arbeitsplaneten, auf unserem Umweltplaneten oder unserem Zen-Planeten) ist weder gut noch schlecht und definitiv bald vorbei. Wir sind so viel stärker miteinander verbunden als wir denken. Nichts kann uns das wegnehmen. Lasst es uns herbringen und dieser Welt helfen.

➾ English Version

 

Illustration: Tenshō Shūbun: Den Ochsen fangen. Shōkoku-ji-Tempel, Kyoto. © Creative Commons. – Dies ist eines von zehn Bildern des japanischen Rinzai-Zen-Mönchs Shubun aus dem 15. Jahrhundert, die im Allgemeinen als Ochsen- bzw. Stier-Hirtenbilder bekannt sind. Sie sollen Kopien von inzwischen verloren gegangenen Originalen sein, die Kakuan, einem chinesischen Zen-Meister des 12. Jahrhunderts, zugeschrieben werden.